Rolfing® Strukturelle Integration
- Chris Hettenkofer
- 28. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Aug.
Der Körper im Lot – Körperarbeit für mehr Wohlbefinden
Hinweis: Rolfing® ist eine geschützte Marke des Dr. Ida Rolf Institute. Ich selbst bin kein Rolfer™, sondern Osteopath. Die folgende Beschreibung dient der Information über die Methode Rolfing® Strukturelle Integration.
Einleitung
„Rolfing enters the body and changes its course.“ (Rolf, 1989)
Rolfing® – auch Rolfing® Strukturelle Integration genannt – wurde von der US-amerikanischen Biochemikerin Ida P. Rolf 1971 begründet. Das Ziel des Rolfings ist simpel, wenn auch nicht einfach: Den Körper wieder ins Lot, in seine Mitte, in die eigene Symmetrie zu bringen. Durch die gezielte Arbeit an Bindegewebe (Faszien) und Nervensystem kommt es zu tiefgreifenden, sicht- und spürbaren Veränderungen am Körper.
Die Grundidee: Ordnung statt Unordnung
„Invariably, in matter, appropriate order is more economical of energy than disorder.“ (Rolf, 1989)
Im Rolfing® wird davon ausgegangen, dass ein Idealbild existiert, wie der Körper ausgerichtet ist und dementsprechend verwendet wird. Dieses Ideal basiert auf unserem skelettalen Aufbau und den physikalischen Gesetzen (vor allem der Schwerkraft), denen wir unterliegen. Jede Abweichung von diesem Ideal führt zu Unordnung im Körper. Das bedeutet Energieverlust: Strukturen wie Faszien, Muskeln oder Gelenke geraten aus dem Gleichgewicht (z. B. durch Fehlhaltungen, Verletzungen oder chronische Verspannungen), und der Körper benötigt mehr Muskelkraft, um sich aufrecht zu halten und zu bewegen. Ordnung gleicht Effizienz: Wenn Strukturen in einer „angemessenen Ordnung“ zueinanderstehen, arbeitet der Körper mit weniger Energieaufwand. Je harmonischer der Körper in sich selbst und im Schwerkraftfeld organisiert ist, desto energiesparender und freier kann er funktionieren.

Die 10er Serie – ein in sich stimmiges System
Traditionell wird im Rolfing® in einer 10er Serie gearbeitet. Während die ersten sieben Sitzungen jeweils ein Thema behandeln, dienen die letzten drei den persönlichen Schwerpunkten. Dabei ist – wie beim Hausbau – auf die richtige Reihenfolge zu achten: Es muss zuerst ein Fundament gelegt werden, um höhere, feinere Strukturen darauf zu positionieren. Warum ein System? Jeder Körper und jede Beschwerde ist individuell. Gleichzeitig teilen alle Menschen dieser Erde denselben strukturellen Aufbau (eine Wirbelsäule, zwei Beine, zwei Augen etc.) und unterliegen denselben physikalischen Gesetzen (Schwerkraft). Nicht primär das „Warum“ der Unordnung ist entscheidend, sondern die Wiederherstellung der Ordnung selbst.

Wie funktioniert es?
„Form and function are a unity, two sides of one coin.“ (Rolf, 1989)
Im Zentrum stehen die Struktur – hier vor allem das Bindegewebe oder, moderner gefasst, die Faszien – und die Funktion – also wie wir unseren Körper benutzen. Form und Funktion sind eine Einheit, untrennbar, und müssen folglich beide behandelt werden.
Wieso die Faszien?
Stellen Sie sich den Körper wie ein Zelt vor. Anders als man denkt, ist die Hauptaufgabe der Knochen nicht einfach das Tragen oder Stützen. Vielmehr sorgen sie dafür, dass das weiche myofasziale Gewebe – Muskeln, Faszien und Bindegewebe – präzise getrennt und angeordnet wird, sodass Spannung und Gleichgewicht entstehen. In diesem „Zelt“ übernimmt das myofasziale System die eigentliche Stütze. Ähnlich wie bei einem Zelt, bei dem die Seile und das Gestänge auf einer Seite die andere Seite hochziehen, erzeugen im Körper Muskeln und Faszien durch gegenseitige Spannung das ökonomische Gleichgewicht. Die Knochen fungieren dabei wie geschickte, gebogene Stangen, die das weiche Gewebe auseinanderhalten und so die Balance und Stabilität des gesamten Körpers ermöglichen.

Faszien bilden die plastische Matrix, die auf gezielten manuellen Druck des Therapeuten sich neu ordnen und umstrukturieren können. (Prinzip der „Mechanotransduktion“: nicht „etwas zurechtrücken“, sondern über mechanische Reize heilende Prozesse im Gewebe auslösen).
Wieso die Funktion?
Ida Rolf betonte unermüdlich die pädagogische Seite dieser Arbeit: das Erlernen von Bewegung und das Entwickeln von Körperbewusstsein. Wenn die myofasziale Behandlung wie eine Neuorganisation der „Hardware“ ist, wirkt die Bewusstseinsarbeit wie das dazugehörige „Software-Update“. Der Körper wird nicht nur behandelt – Patientinnen und Patienten lernen, ihr neues Bewegungsmuster auch wirklich zu nutzen. (Meiner Meinung nach kommt dieser Teil den Grundideen von Moshe Feldenkrais sehr nahe; die beiden kannten und schätzten sich gegenseitig.) Hier liegt auch ein wesentliche Unterschied zu klassischen Manualtherapien wie Physiotherapie, Osteopathie oder Chiropraktik, die sich meist (und ausschließlich) auf die Struktur konzentrieren. (Ich möchte vorweg nehmen, dass klassische Übungen nicht der Funktionsschulung dienen, sondern in der Regel der reinen Mobilisierung, Kräftigung etc.)
Wirkung – spürbar und nachhaltig
Basierend auf der Plastizität des Bindegewebes und der lebenslangen Lernfähigkeit des Menschen können mit Rolfing® sicht- und spürbare Effekte erzielt werden: oft schon direkt nach einer Sitzung in Beweglichkeit, Haltung, Schmerzreduktion und Wohlbefinden – und nachhaltig, da der Prozess noch Monate nachwirkt und sich integriert.
Für wen?
Rolfing® ist nicht für alle und jedes Problem geeignet. Schmerz ist zu komplex, um ihn nur auf eine rein strukturelle, mechanische Komponente zu reduzieren. Und ja: Schmerzen können mit anderen Methoden auch schneller gelindert werden (denn Schmerz hat nicht immer etwas mit Struktur zu tun). Sobald jedoch strukturelle Ursachen im Vordergrund stehen, die Beschwerden komplex und vielschichtig sind und Nachhaltigkeit eine Rolle spielt, lohnt es sich, allgemein aufzuräumen und einem bewährten System zu vertrauen.
Fazit
„Rolfing brings the body into its center.“ (Rolf, 1989)
Rolfing® zeigt einen Weg zur Veränderung auf – hin zu einem freieren Bewegungsablauf und einer effizienteren Nutzung des Körpers. Dadurch können Verschleiß, Verspannungen und Schmerzen reduziert werden. Gleichzeitig kann das körperliche und seelische Wohlbefinden steigen – denn Körper und Geist lassen sich nicht trennen.
Rolfing® ist eine Reise, die unser höchstes Gut – den Körper – erfahrbar macht.
Hinweis: Rolfing® und Rolfing® Strukturelle Integration sind eingetragene Marken des Dr. Ida Rolf Institute.



Tolle Ergänzung